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Ohne Nahversorgung? Plädoyer für einen neuen Gesellschaftsvertrag zur Gewährleistung der Zukunft ländlicher Räume

, &
Pages 44-57 | Published online: 27 Jun 2018
 

Abstract

Rural areas in Germany are facing severe challenges due to demographic and structural changes. The focus of this paper is on local food supply which is considered to be a key factor in the persistence and sustainability of rural areas. The results presented are derived from a joint research project carried out in Lower Saxony, Germany, between 2012 and 2013. The empirical analysis was conducted in three regions with very differing characteristics, ranging from growing to shrinking and from suburban to peripheral rural areas. The aim of the research project was to find out whether and to which extent social networks as well as the readiness to cooperate among stakeholders – in view of difficult demographic and economic preconditions – may contribute to context-specific solutions for local food supply in the affected municipalities. In doing so, three stakeholder groups were envisaged in the project: (i) retailers as food providers; (ii) population as customers; and (iii) municipalities as planning authorities and guarantors of service security. In the course of the project it became obvious rather quickly that the culture of communication and readiness to cooperate, as well as openness to social innovation, offer a crucial basis for survival.

Against this background, the following article aims to develop a theoretical basis, derived from the deconstruction of common mentalities and action systems, and creating in this way the precondition for (social) innovation. Firstly, we discuss for what purpose and in which way local food supply may be secured in rural areas in the long run. Secondly, following an overview of the broad complexity of problems in rural areas, we debate development options for rural areas. Thirdly, we present some thoughts concerning the need for a new societal contract which is based upon a changed understanding of economy and work in order to explore how the future of rural areas maybe shaped by social innovations. The concluding chapter presents the vision of supporting local food supply as a part of public services and as a new common task in which rural areas could serve as real laboratories for the development of sustainable solutions.

English title: Existing without Local Food Supply? Considerations on the Sustainability of Rural Areas

Notes

1 ZukunftNAH ist die Abkürzung des im Rahmen des europäischen Fonds für Regionale Entwick- lung EFRE geförderten Forschungsvorhabens mit dem Titel «Zukunftschancen bedarfsgerech- ter Nahversorgung in ländlichen Räumen Nieder- sachsens».Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.igt-arch.uni-hannover.de/744.html.

2 Gem. niedersächsischem Landwirtschaftsminis- terium (ML 2015: 20 ff) lässt sich eine einheitli- che Definition und feste Abgrenzung ländlicher Räume aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit, aber auch wegen der unterschiedlichen fachlichen und landespolitischen Herausforderungen, bis- lang nicht durchsetzen. Eine Typisierung der Raum- und Siedlungsstrukturen anhand weni- ger Kenngrössen wie Besiedlung (Bevölkerungs- dichte, Siedlungsflächenanteil) oder Lage und Erreichbarkeit (Nähe zu Konzentrationen von Bevölkerung und Arbeitsplätzen) könne immer nur eine Annäherung an die Vielfalt ländlicher Räume sein. Die Auswahl «unserer Untersu- chungsregionen» (siehe Anmerkung 3) zielt dar- auf ab, diese Vielfalt zu berücksichtigen, wie die erfolgte Kurzcharakterisierung zeigt.

3 Im westlichen Niedersachsen die Gemeinden Bunde und Lähden sowie die Samtgemeinden Lathen, Neuenkirchen, Nordhümmling, Sögel und Werlte.

Im nördlichen Niedersachsen die Gemeinden Berne, Butjadingen, Jade, Ovelgönne und Stad- land.

Im südlichen Niedersachsen die Städte Hard- egsen, Moringen, Northeim, Uslar sowie die Gemeinde Katlenburg-Lindau.

4 So verfügen die sechs grössten Anbieter in Deutschland mittlerweile über einen Markt- anteil von mehr als 90 %. Der zunehmende Preiskampf hat zu einer Verringerung der Ver- kaufsstellen besonders bei «kleinen Lebens- mittelgeschäften» (unter 400 m² Verkaufsfläche) geführt. Gab es 1990 bundesweit noch 66 450, waren es 2010 gerade noch 11 200 Nahversorger (HCU/ IRE¦BS 2013: 8).

5 DORV steht für «Dienstleistung und Orts- nahe Rundum Versorgung». Dahinter verbirgt sich das Konzept einer neuen multifunktiona- len Nahversorgung gerade an Standorten, wo sich herkömmliche Anbieter zurückgezogen haben. Das Konzept wurde von Heinz Frey, Jülich, entwickelt und kam erstmals in Jülich- Barmen (NRW) zur Anwendung (vgl. http://stadtteilarbeit.de/handlungsfelder/sicherung-nahversorgung/163-dorv.html). Seither hat es viele NachahmerInnen gefunden, die nach dem Vorbild des DORV-Konzeptes ihre eigenen mul- tifunktionalen Nahversorgungszentren gebildet haben. Nähere Informationen s. www.dorv.de.

6 Stationär: Lebensmitteleinzelhandel (LEH) vor Ort, Filialen, Kioske, LEH-Ketten, Ab-Hof-Ver- käufe.

Hybrid: stationäre Einrichtungen, kombiniert mit mobilen Angeboten und/oder Online-Be- stellungen (Lieferservice, Abholservice).

Mobil: Verkaufswagen, Bestellservice, Lieferser-vice bzw. Abholservice, Fahrservice.

7 Mono: nur Lebensmitteleinzelhandel. Mono+: LEH mit integriertem Café, Dienstleis- tungen und/oder Lieferservice/Kundentaxi. Multi: LEH mit integriertem Café, Dienstleis- tungen und sozialen, medizinischen u. a. Zusatz- angeboten.

8 Unternehmerisch: inhabergeführt (privat), einer LEH-Kette zugehörig, GmbH & Co KG, AG. Kooperativ: gemeinnützige Rechtsformen, Ehren- amt, besondere Trägermodelle. Integrativ: Sozialträger, Integrationsbetriebe, Stif- tungen, Genossenschaften.

9 In Anlehnung an Arthur Benz (2007) wird bei der Verwendung des Begriffs Governance in die- sem Beitrag davon ausgegangen, dass innerhalb der jeweiligen politisch-gesellschaftlichen Ein- heit Steuerung und Regelung nicht nur vom Staat, sondern auch von der Privatwirtschaft und von Vereinen, Verbänden, Interessenvertre- tungen etc. wahrgenommen wird.

10 Eine neue Gemeinschaftsaufgabe «Daseinsvor- sorge» könnte in Anlehnung an existierende Gemeinschaftsaufgaben (GA), z. B. zur Verbes- serung der regionalen Wirtschaftsstruktur, von Bund und Ländern, ggf. auch unter Einbezug der kommunalen Ebene, konzipiert werden. s. hierzu auch: Claudia Neu (Citation2009).

11 Zum Konzept des Guten Lebens vgl. zum Bei- spiel Martha Nussbaum Citation1999.

Additional information

Notes on contributors

Barbara Zibell

Prof. Dr. sc. techn. Barbara Zibell, Stadt- und Regionalplanerin und Bauassessorin Städtebau, ist Universitätsprofessorin für Planungs- und Architektursozio- logie am Institut für Geschichte und Theorie der Fakultät für Architektur und Landschaft, Leibniz Universität Hannover. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören soziale und gesellschaft- liche Aspekte des Planens und Bauens (Planungstheorie und Architektursoziologie), demogra-fischer Wandel und nachhaltige Raum- und Siedlungsentwick- lung mit Schwerpunkt Wohnen und Versorgung.

Javier Revilla Diez

Prof. Dr. Javier Revilla Diez, Wirtschaftsgeograph, ist Universitätsprofessor für Anthropogeographie mit dem Schwerpunkt Stadt- und Regionalforschung im Globa- len Süden am Geographischen Institut und dem Global South Studies Center der Universität zu Köln. Seine Forschungs- schwerpunkte liegen in der geographischen Innovations-, Transformations- und Vulne- rabilitätsforschung und kon- zentrieren sich auf regionale Entwicklungsprozesse in urba- nen wie ländlichen Regionen in Europa, Südost- und Ostasiens sowie Sub-Sahara Afrika.

Ingrid Heineking

Ingrid Heineking, Dipl.-Geogra- fin, selbstständige Raumplanerin und wissenschaftliche Mitarbei- terin, ist als Projektkoordinatorin von Forschungsvorhaben an der Abteilung Planungs- und Architektursoziologie am Institut für Geschichte und Theorie der Fakultät für Architektur und Landschaft, Leibniz Universität Hannover, tätig. Ihre Arbeits- schwerpunkte liegen im ländli- chen Raum räumliche Planung, struktureller und demografischer Wandel sowie Versorgung stehen dabei im Mittelpunkt. Darüber hinaus berät sie in den Bereichen Mobilität und Gender in der Planung.

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